Vertikale Schwammstadt über Hamburg
Der Hochbunker in St. Pauli gilt als landschaftsarchitektonisches Pilotprojekt für die Klimaanpassung von Metropolen. In rund 58 Metern Höhe ist auf dem aufgestockten Bauwerk ein öffentlicher Dachgarten mit mehr als 22.000 Pflanzen entstanden. Möglich wird die Realisierung unter anderem durch ein ausgeklügeltes Entwässerungssystem, bei dem auch Komponenten von ACO zum Einsatz kommen.
Der 1942 erbaute Hochbunker ist ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg und zählt zu den größten Bunkerbauten, die jemals in Deutschland errichtet wurden. Nach Kriegsende diente der ehemalige Flakturm IV als Notunterkunft, bis er in den Folgejahren durch seine Mieterschaft als „Medienbunker" bekannt wurde. Seit den 1990er Jahren ist die Matzen KG Erbbaurechtsnehmerin und hat den heutigen Mietermix aus Unternehmen der Medien-, Kultur- und Kreativwirtschaft aufgebaut. 2019 begannen die herausfordernden Bauarbeiten für die pyramidenartige Aufstockung um fünf Geschosse. Die neuen Flächen bieten Raum für Stadtteilkultur, Ausstellungen, Unterkünfte für Stipendiat*innen und Künstler*innen, eine hochmoderne Dreifeldhalle für Schulsport und Kulturveranstaltungen sowie ein Hotel. Zudem entsteht erstmals ein Gedenk- und Informationsort über die Bunker-Historie.
Mit seinen begrünten Dach- und Fassadenflächen orientiert sich der aufgestockte Bunker am Prinzip der Schwammstadt „Wild und urwüchsig, natürlich und zerzaust“, lautet dementsprechend die Idee des verantwortlichen Hamburger Planungsbüros Landschaftsarchitektur+. Alle Pflanzen sind stadtklimafest und windbeständig. Da der terrassenförmig angelegte Dachgarten auch im Winter vital und optisch ansprechend sein soll, wurden rund 80 Prozent immergrüne Gehölze gepflanzt, die ein saisonal abwechslungsreiches Erscheinungsbild schaffen. Ergänzt um ein intelligentes Regenwassermanagement werden die Abflussmengen in die Kanalisation minimiert und ein maximaler Regenwasserrückhalt erreicht. Bereits in der frühen Planungsphase wurden die Landschaftsarchitekt*innen daher von Stephan Kehren, ACO Architektenberater bei der Auswahl und Dimensionierung der Entwässerungssysteme unterstützt – unter anderen mit Lösungen des ACO WaterCycles.
Auf den einzelnen, neu geschaffenen Freiflächen des Hochbunkers werden Niederschläge durch ein Kaskadensystem mit unterschiedlichen Speicherkapazitäten und gedrosselten Abläufen gesammelt, zurückgehalten und zeitversetzt an die nächste Freifläche weitergeleitet. Für die intensive Dachbegrünung des Bunkers entwickelten die Fachplanenden ein Substrat mit geringem Eigengewicht und hohem Wasserspeichervolumen. Unterhalb der Substratschicht sind Wasser-Retentionsboxen der Firma Optigrün, einer Partnerfirma von ACO im Hochbau, verlegt. Im Grundzustand ist der Dachablauf durch die intelligente Ablaufdrossel geschlossen, das Regenwasser wird in den Retentionsboxen angestaut und gespeichert. Über die Substratschicht und die Vegetation kann es verdunsten und zugleich für die Bewässerung genutzt werden. Die intelligente Steuerung basiert auf Messungen von Wasserstandssensoren sowie Wettervorhersagedaten, die einen gezielten Abfluss vor zu erwartenden Regenereignissen ermöglicht. In der Regel kann der gesamte Niederschlag in den Retentionsräumen gespeichert werden, sodass während und nach dem Regenereignis kein Abfluss in die Kanalisation erfolgt. Auf diese Weise wird die Belastung des öffentlichen Kanalnetzes um etwa 80 Prozent reduziert und sowohl das Gebäude als auch seine Umgebung gekühlt.
Ein weiteres Highlight ist der rund 560 Meter lange, begrünte „Bergpfad“, der vom Erdgeschoss um das imposante Bauwerk herum bis zum öffentlich zugänglichen Dachgarten führt. Die Zuwegung ist aufgeteilt in begehbare Oberflächen aus gebundenem EPDM-Splittbelag und Rasenflächen, die von Hochbeeten und weiteren Bepflanzungen gesäumt werden. ACO Self Rasenwaben gefüllt mit einer Substratschicht ermöglichen hier sowohl Begrünung und Entsiegelung als auch die Begehbarkeit der eingesäten Vegetationsflächen.
Zur Entwässerung des rund sechs Meter breiten Wegs wurden barrierefreie Kastenrinnen des Typs ino 615 KR von ACO Inotec verbaut. Quer in die jeweiligen Rampenabschnitte eingesetzt, fangen sie das anfallende Oberflächenwasser auf. Über eine Perforation an der zur ansteigenden Wegefläche gelegenen Rinnenlängsseite wird zudem das Wasser der untenliegenden Abdichtungsschicht aufgefangen und abschnittsweise durch Fallrohre abgeleitet. Auf diese Weise wird die Überlastung der einzelnen Rampenabschnitte bei Starkregenereignissen verhindert.