Tunnelentwässerung: Maßgeschneiderte Lösungen gefragt
Die Berliner Stadtautobahn A100 wächst mit dem 16. Bauabschnitt um ein weiteres 3,2 km langes Teilstück, das vom Autobahndreieck Neukölln bis zur Anschlussstelle am Treptower Park im Südosten der Hauptstadt führt. Auf knapp 400 Metern verläuft die Trasse durch einen achtstreifig ausgeführten Tunnel. Welche Herausforderung das Ingenieurbauwerk an die Entwässerungslösung stellt, erläutert der Tiefbauexperte Torsten Klehm.
Der 16. Bauabschnitt der A100 zählt planerisch und ingenieurtechnisch zu den anspruchsvollsten Infrastrukturprojekten in der Metropolenregion Berlin/Brandenburg. Zentrales Anliegen der Bauherren und Planer war es, ein hohes Schutz¬niveau der Baumaßnahme mit Blick auf Anwohner, Verkehrsteilnehmer und Umwelt zu gewährleisten. Um übermäßige Eingriffe in das Landschaftsbild zu vermeiden und die Belastung durch Verkehrslärm und Luftschadstoffe zu reduzieren, wurde das neue Teilstück größtenteils in Troglage sowie im Bereich der Neuköllner Grenzallee auf 385 Metern als geschlossenes Tunnelbauwerk errichtet. Ein komplexer Spezialtiefbau: Da das Grundwasser nahe der Geländeoberkannte ansteht, mussten Trog und Tunnel in Teilen komplett unter Wasser errichtet werden – in abgedichteten Baugruben mit seitlichen Stützwänden und einer Unterwasserbetonsohle.
Auch im Hinblick auf die Entwässerung sind Trog- und Tunnelbauwerke neuralgische Punkte der Verkehrsinfrastruktur. Insbesondere bei Starkregenereignissen bergen sie das Risiko, vollzulaufen und die Verkehrssicherheit zu gefährden. Während das Rinnensystem die Niederschläge in dem dreiseitig eingefassten Trog so schnell wie möglich von der Oberfläche in die unterirdischen Stauräume und Reinigungsanlagen abführen muss, hat die Entwässerungslösung im Tunnelbauwerk noch weitergehende Schutzfunktionen. Im Havariefall gilt es, brennbare Flüssigkeiten und kontaminiertes Löschwasser auf kürzestem Wege von der Straßenoberfläche durch die Tunnelentwässerung in den Untergrund abzuleiten und von der Sauerstoffzufuhr zu trennen.
Im Tunnel Grenzallee kam die Rinne ACO Monoblock T mit einer Nennweite von 27,5 cm zum Einsatz. Die monolithische Bordschlitzrinne aus einer Polymerbeton-Sondermischung und integrierter Dichtung ist speziell auf die hohen Sicherheitsanforderungen der Tunnelentwässerung ausgelegt. Sie erfüllt die Vorgaben der europäischen Tunnelrichtlinie 2004/54/EG ebenso wie die deutschen Richtlinien und Vorschriften RABT und ZTV-ING. Danach müssen im Havariefall mindestens 100 Liter pro Sekunde auf 50 Metern abgeleitet werden.
Gegenüber Betonprodukten weist Polymerbeton höhere Festigkeitswerte bei gleichzeitig geringerem Gewicht auf. Das Material ist als nicht „nicht brennbar“ nach DIN EN 13501-1 klassifiziert und aufgrund seiner Witterungsbeständigkeit besonders verschleißarm und langlebig. Die gerade einmal zwei Meter langen Rinnenelemente lassen sich einfach von oben versetzen – was sich aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse im Tunnel als deutliche Arbeitserleichterung bei der Bauausführung erwies. Zudem können die kompakten Rinnen leicht auf Paletten transportiert und gelagert werden und blockieren so keine Zufahrtswege.
Eine zentrale Rolle bei der Tunnelentwässerung spielen die Tauchwandschächte. Jeweils am Ende eines Rinnenstrangs angeordnet, verbinden sie als Übergangselement die Tunnelrinne mit der unterirdischen Längsentwässerungsleitung. Dabei ähnelt ihre Funktionsweise einem Siphon: Das im Schachtboden angesammelte Wasser wirkt im Havariefall als Barriere und Brandschott gegen Flammendurchschlag sowie als Geruchsverschluss. Entscheidend für einen zuverlässigen Brandschutz und eine hohe Abflussleistung ist der präzise, passgenaue Einbau der Tauchwandschächte.
Aufgrund der Gegebenheiten vor Ort im Tunnel Grenzallee konnte nicht auf die Standardausführung zurückgegriffen werden, vielmehr war eine maßgeschneiderte Sonderkonstruktion gefragt. Eine Aufgabenstellung, die eine akribische planerische und technische Zusammenarbeit zwischen ACO Konstruktion, Formbau und Produktion sowie den bauausführenden Unternehmen erforderte. In enger Abstimmung entstanden exakt auf das Bauprojekt zugeschnittene Tauchwandschächte in T-Form, die zentimetergenau in die dafür vorgesehenen Aussparungen im Tunnelbauwerk passten und so künftig die Ableitung von Oberflächenwasser und anderen Flüssigkeiten sicher gewährleisten. Wie in diesem Fall ist es beim Neubau oftmals nicht mit einer Lösung von der Stange getan. Da ist es hilfreich, einen Entwässerungsspezialisten an der Seite zu haben, der sich nicht nur als Produktlieferant versteht, sondern als echter Partner bei der Umsetzung eines individuellen Projekts. Insofern steht der Tunnel A100 beispielhaft für ein gelungenes Zusammenspiel aller Beteiligten, die ihre Fachkenntnis, Erfahrung und Lösungskompetenz effektiv eingebracht haben.