Gut fürs Klima
Wohnen im Einklang mit der Natur und zugleich angebunden an eine gut ausgebaute Infrastruktur: Die neue Klimaschutzsiedlung in Kamen im östlichen Ruhrgebiet ist in jeder Hinsicht ein Vorzeigeprojekt. Modellcharakter hat nicht nur die energieeffiziente, CO2-arme Bauweise, sondern auch die wassersensible Straßenraumgestaltung mit einer oberflächennahen Entwässerung.
Wo bis vor kurzem noch Äcker und Felder bewirtschaftet wurden, errichtet die westfälische Stadt Kamen jetzt eine zukunftsweisende Klimaschutzsiedlung. Auf einem fast drei Hektar großen Areal im Ortsteil Kamen-Methler sollen rund 50 Wohneinheiten als sogenannte Passiv- oder 3-Liter-Häuser entstehen. Im Vergleich zu herkömmlichen Bauten verbrauchen diese nur einen Bruchteil an Energie. Das Bauvorhaben ist Teil des Förderprojekts „100 Klimaschutzsiedlungen in NRW“. Das 2009 aufgelegte Programm zielt darauf ab, die wärmebedingten CO2-Emissionen in Wohngebieten nachhaltig zu reduzieren.
Um langfristig hochwertigen Lebensraum zu schaffen und zu einer klima- und umweltverträglichen Siedlungsentwicklung beizutragen, wurden an das gesamte Gestaltungskonzept besondere städtebauliche Anforderungen gestellt. Dazu gehört ebenso ein naturnahes Entwässerungskonzept, das allen Vorgaben des Ende Juli 2009 novellierten Wasserhaushaltsgesetzes entspricht und ein vorausschauendes Regenwassermanagement ermöglicht. Statt das anfallende Niederschlagswasser schnellstmöglich in die unterirdische Kanalisation abzuleiten und bei Starkregen eine Überlastung zu riskieren, soll es wenn möglich dezentral versickern oder in nahegelegene Rückhaltebecken eingeleitet werden. „Regenwasser ist eine wertvolle Ressource und Teil des natürlichen Wasserkreislaufs,“ erklärt Bernd Josef Neuhaus, technischer Betriebsleiter der Stadtentwässerung in Kamen. „Eine oberflächennahe Regenwasserbewirtschaftung trägt nicht nur zu einer ausgeglichen Wasserbilanz bei, sondern hilft zudem, die Folgen von Starkregenereignissen und die Überhitzung der Innenstädte zu begrenzen“, so Neuhaus.
Gegen einen herkömmlichen Regenwasserkanal sprach auch der hohe Grundwasserstand und die geringe Tiefenlage der Vorflut. Da sich eine dezentrale Versickerung aufgrund der Bodenverhältnisse nicht realisieren ließ, entwickelte das mit der entwässerungstechnischen Erschließung beauftragte Ingenieurbüro Pruss u. Partner aus Lippstadt eine alternative Lösung. Es sieht vor, das anfallende Niederschlags- und Oberflächenwasser oberirdisch über Rinnen abzuleiten und anschließend einem Regenrückhaltebecken mit gedrosseltem Beckenablauf zuzuführen, wo es dann größtenteils versickern kann. „Die Ableitung von Regenwasser in oberflächennah geführten Rinnen ist gegenüber der Entwässerung über die Kanalisation deutlich kosteneffizienter. Zugleich können die Rinnen als ästhetische Gestaltungselemente im Straßenraum genutzt werden“, so Heiner Santüns, Mitglied der Geschäftsleitung bei Pruss u. Partner.
Bei der Ausschreibung für die Entwässerungsrinnen konnte sich die ACO Tiefbau Vertrieb GmbH gegenüber dem Wettbewerb durchsetzen. Die Wahl fiel auf die ACO PowerDrain V 275, ein High-End-Produkt, das die Anforderungen der höchsten Belastungsklasse F 900 erfüllt und so auch dem in der Bauphase verstärkt auftretenden Schwerlastverkehr standhält. Punkten kann die ACO PowerDrain vor allem wegen der besonderen Leitfähigkeit des Polymerbetons und ihres V-Profils. Durch die glatte, porenarme Oberfläche fließt das Wasser schnell ab, es kommt kaum zu Ablagerungen, die Rinnensohle reinigt sich nahezu selbsttätig. Bei Bedarf ist es möglich, das System zusätzlich über spezielle Spülschächte problemlos mit einer Flachdüse unter Hochdruck zu reinigen. Unterstützt wird der Selbstreinigungseffekt noch durch das V-Profil. Schon bei geringer Wasserführung erreichen die Profile eine hohe Fließgeschwindigkeit. Zugleich steht bei Starkregenereignissen der volle Abflussquerschnitt mit einem hohen Fassungsvermögen zur Verfügung. So nimmt das System innerhalb kürzester Zeit große Mengen an Oberflächenwasser auf und führt es über den Rinnenkörper ohne Rückstaugefahr ab. Zur Abdeckung der Rinne dienen Stegroste aus witterungsbeständigem Gusseisen. Als Hausanschlusskasten für die künftigen Ein- und Mehrfamilienhäuser kommen ACO DRAIN Punktabläufe zum Einsatz. Sie stellen das Verbindungselement zwischen dem Regenfallrohr und der Entwässerungsrinne dar. Eigens für das Neubauprojekt in Kamen wurden sie nach oben geöffnet und zusätzlich mit seitlichen Anschlüssen und Schlammfang ausgestattet.
Vor besondere Herausforderungen stellte die Projektpartner die technische Ausführung. Zwar gehört die Installation von Entwässerungsrinnen auf Plätzen oder Parkdecks für die ausführende Baugesellschaft Zabel GmbH aus Castrop-Rauxel zum Tagesgeschäft. Dabei handelt es sich aber in der Regel um Einbaumaße von allenfalls 50 bis 100 Metern. In der Neubausiedlung Kamen-Methler aber waren Rinnenelemente auf einer Strecke von mehr als 700 Metern beidseitig entlang der neu anzulegenden Verkehrsflächen zu setzen. Solche Abmessungen kommen nicht alle Tage vor.
Um einen zügigen Einbau zu gewährleisten, fertigten die ACO Spezialisten bereits im Vorfeld maßgeschneiderte Radienelemente analog zum künftigen Straßenverlauf mit den diversen Kurven und Abwinklungen an. Für die kaufmännische und logistische Abwicklung war die zur Metzger-Gruppe gehörende Wilhelm Fatheuer GmbH & Co.KG aus Hamm zuständig. Vor Ort wurden die Rinnen samt Sonderteilen dann in Basamentbahnen und Randsteine gefasst. Es erforderte viel Know-how und Erfahrung, den Einbau rechts und links der Straßenführung exakt flucht- und höhengerecht durchzuführen und auch die Anschlüsse für die geplanten Wohnhäuser passgenau zu verlegen. Möglich war dies nur durch das intensive Zusammenspiel aller Projektpartner – angefangen bei der Stadtentwässerung Kamen über das Planungsbüro und den Hersteller ACO bis zum Fachhandelspartner und dem ausführenden Bauunternehmen. „Die Dimension des Projekts war für alle Beteiligten etwas Neues. Ganz wesentlich zum Gelingen beigetragen hat der regelmäßige gegenseitige Austausch. Besonders wichtig war die intensive Betreuung durch das Unternehmen ACO, das uns zu jedem Zeitpunkt nach Kräften unterstützt hat, sei es bei der Planung, der Messung oder bei technischen Fragen“, sagt Heiner Santüns vom Ingenieurbüro Pruss u. Partner. Auch Bernd Josef Neuhaus von der Stadtentwässerung Kamen lobt die konstruktive Zusammenarbeit: „Alles in allem eine runde Sache – so können wir von Seiten der Stadtentwässerung unseren Beitrag zur Klimaschutzsiedlung leisten.“
„Bei der Umsetzung des innovativen Entwässerungskonzepts in Kamen-Methler hat sich einmal mehr der dreistufige Vertrieb bewährt. In enger Abstimmung mit dem Produzenten und dem Bauunternehmen ist es uns als Fachhandelspartner gelungen, stets zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Mengen bei ACO abzurufen und auf die Baustelle zu liefern, so dass der Einbau reibungslos erfolgen konnte. In diesem Pilotprojekt gab es keine Lösungen von der Stange. Umso höher sind die ingenieurtechnischen Leistungen der ACO Experten einzuschätzen. Das Regenwassermanagement über Entwässerungsrinnen, wie wir es hier umgesetzt haben, könnte künftig zu einem Modell für die Erschließung von Neubaugebieten werden.“, so Ralf Schauf, Prokurist der Metzger-Gruppe in Hamm, Fachverantwortlicher Kanal- und Straßenbau.
Mittlerweile sind die Arbeiten am Entwässerungssystem abgeschlossen und die Klimaschutzsiedlung startet in die nächste Bauphase. Bei der Vergabe der Grundstücke konnten gar nicht alle Bewerber berücksichtigt werden, so groß war das Interesse. Nach einem speziellen Punktesystem erhalten vor allem junge, kinderreiche Familien den Zuschlag. Sie können sich auf ein klimafreundliches Zuhause in unmittelbarer Nachbarschaft eines historischen Ortskerns mit Kindergärten, Schulen, Spielplätzen sowie einer guten Verkehrsanbindung freuen. Und nicht zuletzt auf eine nachhaltige Entwässerungslösung, die ein zuverlässiges Regenwassermanagement ermöglicht.